Aktualisiert am

2. August 2022

Gearing Cheatsheet

💡 In Kürze

Das Gearing setzt die Nettofinanzverbindlichkeiten eines Unternehmens ins Verhältnis zu dessen Eigenkapital. Mit Hilfe des Gearings lässt sich die finanzielle Stabilität eines Unternehmens beurteilen.

Im Rahmen einer Aktienanalyse sollten Anleger unbedingt auch die Verschuldung des Unternehmens analysieren. Neben anderen Kennzahlen, wie zum Beispiel der Fremdkapitalquote, eignet sich besonders das Gearing dazu, die finanzielle Stabilität von Unternehmen zu beurteilen.

Während in wirtschaftlich guten Zeiten ein hohes Gearing normalerweise kein Problem darstellt, kann es in Phasen des Abschwungs zu einer existenziellen Bedrohung werden. Um also die Beständigkeit gegen Krisen und Rezession richtig einordnen zu können, sollten Anleger das Gearing in ihre Aktienanalyse aufnehmen.

Das Gearing berechnen

Findige Mathematiker erkennen bereits an der Formel, dass das Gearing aussagt, wie viele Nettofinanzverbindlichkeiten im Verhältnis zum Eigenkapital auf dem Unternehmen lasten.

Gearing =
Nettofinanzverbindlichkeiten

Eigenkapital
× 100

Um das Gearing zu berechnen, werden die Nettofinanzverbindlichkeiten durch das Eigenkapital geteilt. Die einzelnen Bestandteile der Berechnung sollen nachfolgend erklärt werden.

Nettofinanzverbindlichkeiten

Nettofinanzverbindlichkeiten sind alle Finanzverbindlichkeiten abzüglich der liquiden Mittel.

Finanzverbindlichkeiten wiederum sind alle Verbindlichkeiten, auf die Zinsen anfallen. Andere Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, werden beim Gearing aus gutem Grund nicht berücksichtigt. Warum das so ist, ist leicht nachvollziehbar. Da auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen keine Zinsen anfallen, können diese als zinslose Kredite aufgefasst werden. Zudem stehen ihnen in der Bilanz Vorräte gegenüber, sodass kein erheblicher Einfluss auf die finanzielle Stabilität besteht.

Die liquiden Mittel werden deshalb von den Finanzverbindlichkeiten subtrahiert, weil diese theoretisch sofort zur Begleichung der Schulden aufgewendet werden könnten.

Eigenkapital

Das Eigenkapital ist der Teil des Gesamtkapitals, der nicht von Fremdkapital, also von Schulden, gedeckt ist.

Interpretation des Gearings

Ein Gearing von beispielsweise 30%, sagt aus, dass die Nettofinanzverbindlichkeiten 30% des Eigenkapitals entsprechen. Unter Ausblendung aller anderen Faktoren, ist einer Unternehmen mit einem Gearing von 30% finanziell stabiler als ein Unternehmen mit einem Gearing von 40%. Anders formuliert, eine Insolvenz ist für dieses Unternehmen unwahrscheinlicher.

Gefahr einer Insolvenz

Allgemein lässt sich sagen, dass je höher das Gearing ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten kann. Akut bedroht sind solche Unternehmen vor allem in Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs.

Solange das Geschäft wie erwartet läuft, macht sich ein hohes Gearing in der Regel kaum bemerkbar. Sollten die Umsätze allerdings unerwartet zurückgehen, beispielsweise durch eine plötzlich eintretende Rezession, stehen Unternehmen vor einer Herausforderung. Denn auf Finanzverbindlichkeiten fallen Zinsen an. Unternehmen sind verpflichtet Zinszahlungen unter allen Umständen, also auch im Falle einer Rezession, nachzukommen. Wenn dazu beispielsweise durch einen Umsatzeinbruch die Mittel fehlen, droht eine Insolvenz.

Auswirkungen auf Kapitalkosten

Auch Fremdkapital-Geber schauen sich das Gearing von Unternehmen ganz genau an. Bevor sie Kredite gewähren, werden Fremdkapital-Geber versuchen, das Risiko einer Insolvenz korrekt einzupreisen. In der Praxis bedeutet das, dass Unternehmen, die bereits ein hohes Gearing aufweisen, häufig höhere Zinsen auf ihre Finanzverbindlichkeiten zahlen müssen, weil bei ihnen das Risiko einer Insolvenz höher ist.

Sonderfall negative Nettofinanzverbindlichkeiten

In seltenen Fällen sind die Finanzverbindlichkeiten so gering bzw. die liquiden Mittel so hoch, dass die Nettofinanzverbindlichkeiten negativ sind. In solch einem Fall kann das Unternehmen als schuldenfrei aufgefasst werden.

Allerdings muss ein negatives oder geringes Gearing nicht automatisch ein Vorteil sein. Da Fremdkapital günstig ist, verschulden sich die meisten Unternehmen gezielt, um damit beispielsweise Investitionen zu finanzieren.

Wie hoch sollte das Gearing sein?

Für viele Unternehmen gilt ein Gearing-Wert zwischen 10% und 50% als erstrebenswert, wobei die Höhe je nach Branche variieren kann. Wie bei den meisten Kennzahlen gilt, dass die Kennzahl immer im Kontext einer bestimmten Branche betrachtet werden sollte. Konkret bedeutet das also, dass das Gearing des analysierten Unternehmens dem Gearing von vergleichbaren Wettbewerbern gegenüber gestellt werden sollte.